Warum ich mir Sorgen um die Olympischen Spiele in Paris mache
Sechs Gründe, weshalb das Terror-Risiko höher ist als bei der EM
Vor anderthalb Monaten gab ich verschiedene Interviews zur Terrorgefahr bei der Europameisterschaft in Deutschland. Natürlich kann man Anschläge niemals ausschließen, aber mein Gefühl war, dass die Gefahr überschaubar war und die deutschen Behörden sie relativ gut im Griff hatten.
Und in der Tat: Es gab nur eine kleine Anzahl von sicherheitsrelevanten Vorfällen. Vom Terrorismus blieb das Turnier glücklicherweise komplett verschont.
Deshalb sagte ich bereits damals, dass ich mir mehr Sorgen um die Olympischen Spiele in Paris machen würde als die EM. So zum Beispiel hier:
(Etwas ausführlicher auch hier.)
An meiner Einschätzung hat sich bis heute nichts geändert:
Wenn in genau acht Tagen die Olympischen Spiele in Paris mit einer spektakulären Eröffnungsfeier beginnen, haben die französischen Sicherheitsbehörden eine noch schwierigere Aufgabe als die deutschen.
Und dafür gibt es (mindestens) sechs Gründe:
1) Es gibt viel mehr Spielstätten: Statt in nur zehn Stadien, wie die Fußball-EM, finden die Olympischen Spiele an 35 Orten in Paris und 8 außerhalb von Paris statt. Auch die Anzahl der Athleten ist mit knapp 3000 mehr als fünf Mal so hoch wie bei der EM. (Immerhin: Anders als bei der EM sind alle Athleten in einer einzigen Location — dem Olympischen Dorf — untergebracht.)
2) Die Eröffnungsfeier ist grandios, aber birgt zahlreiche Risiken: Zum ersten Mal in der modernen Geschichte der Olympischen Spiele findet die Eröffnungsfeier nicht in einem Stadion, sondern komplett im Freien statt, und zwar auf einem sechs Kilometer langen Abschnitt der Seine im Zentrum von Paris. Die verschiedenen Teams befinden sich auf Booten, am Ufer werden mehr als 320.000 Menschen erwartet. Ein Sicherheitsbeamter sagte mir, die Teams würden dadurch zu „sitzenden Enten“.
3) Zu den teilnehmenden Nationen gehört Israel: Nicht erst seit den Olympischen Spielen in München im Jahr 1972, wo elf israelische Athleten gekidnappt und getötet wurden, ist Israel die gefährdetste Nation bei internationalen Sportereignissen. Wegen der aktuellen israelischen Militärkampagne in Gaza ist die Gefahr diesmal noch höher.
4) Frankreich ist das vom Dschihadismus am meisten bedrohte Land in Europa: In den letzten Jahrzehnten gab es in Frankreich mehr als 300 dschihadistisch motivierte Anschläge, die über 300 Menschen das Leben gekostet haben. Mitte der 2010er kam es zu mehreren Dutzenden durchgeführten und versuchten Anschlägen pro Jahr. Mehr als 30.000 Personen werden von den französischen Behörden aktuell als „radikalisiert“ eingestuft.
5) Es gab bereits (mindestens) eine Anschlagsplanung: Dass die Bedrohung real ist, zeigt auch die Tatsache, dass ein erster möglicher Anschlag bereits verhindert wurde. Ende Mai verhafteten die französischen Behörden einen 18-jährigen Teenager mit tschetschenischen Wurzeln, der einen Anschlag auf das Fußball-Stadio in St. Etienne plante, wo mehrere Spiele stattfinden sollen.
6) Mehr noch als die EM sind die Olympischen Spiele Ziel von Aktivisten: Zusätzlich zur Bedrohung durch den Terrorismus könnte es zu Störungen durch Aktivisten kommen. Klima- und Palästina-Gruppen haben bereits Aktionen angekündigt. Das Problem: Der Polizeiaufwand zum Schutz gegen solche Störungen ist riesig und verringert die für die Terrorismusbekämpfung verfügbaren Ressourcen.
Die gute Nachricht: Natürlich sind sich die französischen Behörden all dieser Gefahren bewusst. Ich war im Mai zu Gast bei UCLAT – dem französischen GTAZ – in Paris und habe mich persönlich über die Vorbereitungen informiert.
Was ich dabei gelernt habe: Die französischen Sicherheitsbehörden arbeiten buchstäblich seit Jahren an der Vorbereitung für dieses Ereignis. An ihrer Ernsthaftigkeit und dem Aufwand, den sie betreiben, besteht kein Zweifel.
Die Botschaft, die ich mitgenommen habe, besteht aus zwei Teilen. Erstens: „Wir tun alles Menschenmögliche, um diese Spiele so sicher wie möglich zu machen.“ Doch zweitens: „Bei so vielen Variablen kann es keine absolute Sicherheit geben.“
In den nächsten Tagen werde ich an dieser Stelle noch ausführlicher über die Terrorgefahr für die Olympischen Spiele berichten. Falls Sie Die Terrorlage noch nicht abonniert haben sollten, können Sie dies hier kostenfrei tun:
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